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Nun auch Spezialisten fürs Allgemeine -
Die Generalistik schon bald als Studienfach an unseren Hochschulen*
aus: Bazon Brock: Ästhetik als Vermittlung. Arbeitsbiographie eines Generalisten. DuMont Verlag, Köln 1977

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Ein Brief von Vera F. Birkenbihl über Paradigmen-Veränderer, "Siedler" und Paradigmen-Pioniere. Vera Birkenbihl in einem Kundenbrief, 1997

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Kampf der Titanen
"Baby-Boomer zieht euch warm an!"
Interview mit dem Internet-Forscher Don Tapscott
(Handelsblatt vom Nr. 3/98, von Annette Eicker)



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Nun auch Spezialisten fürs Allgemeine -
Die Generalistik schon bald als Studienfach an unseren Hochschulen*

aus: Bazon Brock: Ästhetik als Vermittlung. Arbeitsbiographie eines Generalisten. DuMont Verlag, Köln 1977

 

Vor fünf Jahren tauchte er zum erstenmal auf, und zwar in Hamburg: ein neuer Sozialcharakter, der Generalist. Ich stellte ihn in meinem Arbeitsbereich in der Staatlichen Hochschule für Bildende Künste in Hamburg vor - man wusste nicht so recht, was mit ihm anfangen. Der Generalist schien synthetisch hervorgebracht, retortisch erzeugt zu sein: spekulative Ausgeburt von Leuten, die den Absolventen solcher Institute neue Berufsrollen erarbeiten wollten. Es blieb nämlich schwierig, in jedermann einsichtigen Aussagen die Berufsrolle des Generalisten zu umreissen, weshalb man glaubte, Generalist sei nur eine Umbenennung der ebenso umrisslosen Berufsrolle Künstler. Aus meinen Darlegungen blieb den beteiligten Studenten, Behördenvertretern, Lehrkörpermitgliedern nur erinnerlich, dass der Generalist eine Art 'Mädchen für alles' sein sollte. Was man mit Recht ablehnte, aus Gründen seiner evidenten Unsinnigkeit. Verwunderlich für mich war es, dass das Abstraktum 'Generalist' und 'Generalistik' nicht attraktiv genug zu sein schien, um von den Beteiligten ausschliesslich im Hinblick auf den Neuigkeitswert dieser Kennzeichnung und Bestimmung einer neuen Berufsrolle angeeignet zu werden.

Das hat sich geändert. Denn inzwischen sind einige andere Abstrakta ähnlicher Art adaptiert worden: die Macher, der Initiativnehmer, der Ideator, der Realisator, ja der Beweger sind immerhin vielfach eingesetzte neue Sozialcharaktere, also Positionsinhaber mit einer bestimmten Anzahl von ausfüllbaren Rollen. Auch der Generalist scheint inzwischen soziabel, öffentlichkeitsfähig und notorisch zu werden, freilich nicht deshalb, weil man sich jetzt auf den Wortappell des neuen Reizwortes eingelassen hätte, sondern weil inzwischen Funktionsbereiche des sozialen Lebens entstanden sind, die von niemand anderem als dem Generalisten ausgefüllt werden können.

In Hamburg und Köln kann man jetzt die Diskussion um die Einführung der Generalistik als Studieneinrichtung wieder aufnehmen, ohne für spekulativ abweichlerisch gehalten zu werden, zumindest im Bereich der Kunsthochschulen und deren Ausbildungsauftrag. Es wäre nicht das erste Mal, dass sich in diesem Bereich etwas ausserordentlich Neues und Notwendiges durchsetzte, bevor andere soziale Handlungsbereiche wie die Universitäten einige Quadratmeter Institutsboden zur Verfügung freiräumen.

Also zunächst nochmals eindeutig: Der Generalist wird als Sozialcharakter aus dem bestimmt, was er tut, bzw. zu tun hat; Funktionen sind ausgebildet worden, die er erfüllt. Das muss erneut betont werden, da auch im Bereich der Universitäten inzwischen blosse Umtaufen aus Gründen absatz- und selbstbewusstseins- fördernder Imagepflege vorgenommen werden, bevor dem auf der Ebene der Problemkonstellationen etwas korrespondierte; als Beispiele seien zitiert: der Medienökonom, der Mediensoziologe, der Medienpsychologe usw.

Anders also der Funktionsbereich Generalistik. Wie, das soll hier kurz angedeutet werden.

Um einer leicht denkbaren Irritation des Hörers vorzubeugen und um in der Sache Abgrenzungen zu Naheliegendem und Verwechselbarem vorzunehmen, sei gesagt, dass der Generalistik betreibende Generalist nicht mit den das studlium generale betreibenden Spezialisten verwechselt werden darf. Generalistik ist keine Erweiterung oder Nenformulierung dessen, was einst studium generale gewesen sein mag.

Das studium generale wurde an den Nachkriegsuniversitäten eingeführt, um fächer- übergreifende Problemkonstellationen sichtbar werden zu lassen. Aber diese fächer- übergreifenden Problemkonstellationen wurden nicht im Hinblick auf eine inzwischen vorgenommene Veränderung der Sachkomplexe, nicht als Resultat sich verschieben der gesellschaftlicher Handlungsfelder oder deren gegenseitiger Durchdringung be kannt, sondern ausschliesslich im Hinblick auf eine erneute Anspruchsformulierung zum Begriff 'Bildung', 'Allgemeinbildung'. Das studium generale sollte diese erneute Anspruchsformulierung HUMBOLDTischer Provenience den hochspezialisistischen Fachmännern gegenüber durchsetzen, nicht um ihnen zu einer Erweiterung oder Grundlegung zu verhelfen, sondern um die Begründung für nach wie vor geltende Totalitätsvorstellungen zu repräsentieren: der ganze Mensch sollte da gebildet werden, ohne dass gesagt werden konnte, wie denn das denkbar sein könnte unter der Voraus setzung differenzierter Arbeitsteilung und der Tatsache, dass die einzelnen Lebensbereiche, an denen ein Einzelner partizipiert, nicht mehr in der Institution Universität zu sammengeschlossen werden konnten. Das studium generale wurde so zu einem Totalitätskleister für die zerbrochene Lebenseinheit. Das studium generale war keineswegs ein positiver Ausdruck der Schwierigkeit, diese Bruchstücke noch als selbständige voneinander zu unterscheiden oder neu zu gliedern, was ja immerhin denkbar gewe sen wäre. Persönlichkeitsbildung bei partikularisierter Persönlichkeitsentäusserung ist etwas märchenhaft Naives oder raffiniert Täuschendes. Das studium generale war keines von beidem, denn es war belanglos: Repräsentation eines allgemeinen Interesses, das zu nichts Genauem und Wichtigem taugt. Was getaugt hätte, nämlich Fragen von allgemeinem studentischen Interesse: "Wie organisiere ich einen wissenschaftlichen Arbeitsgang; welche Formen der Lebensorganisation stehen mir für welche objektiven Bedingungen zur Verfügung", werden bis auf den heutigen Tag nicht wissenschaftlich abgehandelt bzw. untersucht. Deshalb kam man schnell auf den Hund, auf die allgemeine Kultur und Kunst als altbewährte Bildungsinhalte, die so unbestimmt bleiben dürfen, dass sie nur noch formal absolviert werden müssen. Und selbst das ist noch problematisch genug: bald erfuhren nämlich die am studium generale Beteiligten, dass auch das allgemein Interessierende nur auf spezielle Weise erlernt und angeeignet werden kann; dass es eben keine Möglichkeiten gibt, das Allgemeine anders als speziell anzueignen. Das bedeutet, dass die studium generale-Veranstaltungen reihum zu germanistischen oder kunsthistorischen oder politökonomischen oder zeitungswissenschaftlichen Veranstaltungen wurden. Unter der Voraussetzung von Allgemeinheit, die das studium generale oder der für es verbindliche Bildungsbegriff meint, läBt sich nicht mal der inhaltloseste Formalaspekt einer kulturhistorischen Aussage verstehen. Die Desillusionierung der am studium generale Beteiligten war um so grösser, als sie entdeckten, dass das von ihnen verspürte Ungenügen an spezialistischer Einschränkung allgemein ist und nicht durch guten Willen und gemeinsame Anstrengung abschaffbar ist. Ernst genommene Allgemeinheitsansprüche, also Bildungsansprüche hätten in jedem Fall eine Reihe weiterer spezialistischer Vollstudien gefordert. Und das ist von niemandem zu bewältigen - allein aus zeitlichen Gründen nicht. Allgemeinbildend, verdüunte sich das studium generale zum Beiprogramm in Gestalt einer Reihe von abendlichen Veranstaltungen während des Semesters, die positionsorientierten Nachholern und Vorsorgern das Gefühl nahebrachte, die Interessen des Allgemeinen dabei zu vertreten.

Immerhin bleibt festzuhalten, dass das studium generale sich ursprünglich von dem Gedanken an ein allgemeinverbindliches Grundstudium leiten liess, das im optimalen Fall zu einer gesellschaftspolitischen Propädeutik werden sollte. Darunter fallen für den Gutwilligen auch die Probleme einer allgemeinen Lehre gesellschaftlicher Kommunikation und der Gemeinsamkeit im Handeln, einer allgemeinen Didaktik wie einer allgemeinen Pädagogik. Wer in den vergangenen fünfzehn Jahren studiert hat, weiss, dass es dazu nur in den seltensten Fällen gekommen ist.

Mit dem Allgemeinen, das in 'Allgemeinbildung' und 'studium generale' gemeint ist, mit dem Allgemeinen, das als Hintergrundbestimmung und Kulturfolie aufgezogen wird, hat die Generalistik nichts zu tun. Ihr Allgemeines ist ein Besonderes. das keineswegs mit der durch Arbeitsteiligkeit erzwungenen Spezialisierung aufräumen will. Denn auf die Leistungsfähigkeit des spezialistischen Arbeitens kann nicht mehr verzichtet werden.

Dem Allgemeinen in Universitas und Bildung steht jenes Allgemeine gegenüber, mit dem die Generalistik zu tun hat. Dieses Allgemeine verdankt sich nicht dem Verhältnis eines einzelnen Individuums zum kulturellen Bestand einer Gesellschaft, was ja Bildung bezeichnet, sondern es ist eine Bestimmungsgrösse des generellen Verhältnisses von Kultur und Natur oder von Denken und Dingwelt oder von Idee und Realität. Dieses Verhältnis zu untersuchen, war bisher Aufgabe der Philosophen. Einige Aussagen über jenes Allgemeine, die die Philosophen bisher gemacht haben, seien zitiert: Das Allgemeine ist das in allen einzelnen konkreten Erscheinungen Identische, sagt PLATON, das niemals in einer einzelnen Besonderheit aufgeht, aber doch deren wesentliche Bestimmung ausmacht. Weil es solches Allgemeines gibt, können wir überhaupt zu Erkenntnissen kommen. ARISTOTELES hält dagegen, dass das Allgemeine nicht mit dem Wesen identisch ist, weshalb auch das Allgemeine nicht im Besonderen als dessen wesentliche Bestimmung auftreten kann. Das Allgemeine ist vielmehr das Ziel und Resultat von Erkenntnisanstrengungen. Wissen ist Wissen dessen, was allgemein ist: was in jedem konkreten Fall mit Notwendigkeit wieder so eintreffen wird.

Ob dieses Allgemeine überhaupt als real anzusehen sei, beschäftigte die beiden wichtigsten Wissenschaftsparteiungen durch das ganze Mittelalter. Die einen behaupteten, die Allgemeinbegriffe, die Universalia seien tatsächlich existent: Struktur sei etwas real Existierendes, oder Baum oder Güte oder Vollkommenheit. Die das annahmen, wurden deshalb Realisten genannt. Ihnen widersprachen die Nominalisten, die behaupteten, dass die Universalia, die Allgemeinbegriffe nichts als historisch zufällig entstandene Namen seien, blosse Wortfürze.

Wie wichtig diese Fragen waren und in anderer Gestalt gerade jetzt wieder sind (die neue Scholastik in der Wissenschaft bricht gerade aus), zeigt ein damals just aufs eleganteste und raffinierteste erbrachter Gottesbeweis: wenn Gott die Vollkommenheit in Person ist, dann ist damit auch bewiesen, dass er existiert; denn nicht zu existieren wäre eine Einschränkung der Vollkommenheit.

Gibt es eine Vollkommenheit als real existente, so mag dieser Gottesbeweis tatsächlich unumstöBlich sein. Leider hat der Jahrhunderte dauernde Streit darüber keine eindeutigen Resultate gezeitigt. Solche waren erst wieder von dem kopernikanischen Um-und-umwender erbracht. KANT systematisierte das Problem und dabei wurde das Allgemeine als generelle Kennzeichnung des Begriffs festgestellt, das Besondere aber als Erfahrungshintergrund, als Gegenstand der Anschauung. Begriffe sind aber für KANT nicht mehr blosse Denkregeln, sondern Handlungen des Denkens. Das Handeln des Denkens besteht in der Ausbildung eines deduktiven Aussagesystems; Handlungen des Denkens als Begriffe und Erfahrungen als Anschauungen werden aufeinander bezogen, indem der Denkende das Vermögen ausbildet zu beurteilen, ob ein vorkommendes Besonderes unter ein vom Denken zur Verfügung gestelltes, von ihm entworfenes Gesetz fällt oder nicht.

Nachkantische Philosophie hat sich mit der Möglichkeit beschäftigt, das begrffliche Allgemeine und das anschauliche Besondere identisch werden zu lassen, was enorme Anstrengungen kostet. Solche Identitätsphilosophie vermag etwas Wichtiges zu leisten: sie kann erklären, wie denn das spekulativ Entworfene selber noch objektive Natur ist: wie das begriffliche Allgemeine immer schon als konkrete Besonderheit vorhanden ist: ob die einheitliche Welt in Gestalt des begriMichen Allgemeinen oder der besonderen Erfahrung jeweils historisch entsprechend existiert; vermag wichtige Aufschlüsse über den Entwicklungsstand der jeweiligen menschlichen Lebensentfaltung zu geben.

Heute werden diese Probleme unter dem Titel der Wissenschaftstheorie abgehandelt. Es gibt etwa sechs entfaltete Positionen. Die drei entscheidenden sind:

  1. der kritische Rationalismus, der mit Bezug auf KANT von den abstrakten, deduktiven Aussagesystemen ausgeht und die konkrete, einzelne und besondere Erscheinung diesen Aussagen unterwirft im Wahrheitserweis einer Ubereinstimmung, einer Konvergenz von Aussagen und Phänomenen;
  2. der historische Materialismus, der dialektisch methodisch operiert mit Bezug auf die Identitätsphilosophie, allerdings mit der entscheidenden Erweiterung, dass die Erscheinungsweisen von Allgemeinheit und Besonderheit zusammen erst die gesellschaftliche und damit verbindliche Wirklichkeit ausmachen: auch die spekulativste Willkür des Gedankens kann noch objektiv bestimmt werden, auch die auffallendste Besonderheit einer Erfahrung im Konkreten kann noch allgemein bestimmt werden (selbst zufällige Veränderungen wie Mutationen im Bereich desBesonderen und Konkreten);
  3. der funktionale Strukturalismus. Er geht davon aus, dass weder die Begriffe noch die Welt abgeschlossen und ausgemacht sind. Die Welt ist ein Chaos von Möglichkeiten, mit denen die Menschen fertig werden müssen. Das tun sie, indem sie die Zahl dieser auf sie einströmenden Möglichkeiten reduzieren mittels Ausgrenzung von Wirklichkeitssegmenten, den Systemen, die sinnvolle Beziehungen zur Umwelt garantieren. Der Zustand der Ununterschiedenheit von Allgemeinem und Besonderem ist dabei sehr wichtig, weil so die Welt in jenem hochgradigen Unbestimmtheitszustand bestehen bleibt, aus dem sich immer erneute Bestimmungen, die jedes Lebewesen braucht, ausgrenzen lassen. Die Welt nimmt so nicht ab, sie wird nicht vom Zeitverlauf verbraucht.

Allen diesen philosophischen Untersuchungen des Verhältnisses von Allgemeinem und Besonderem, von Denken und Dingen, von Kultur und Natur ist ein Resultat zu entnehmen: dass man nämlich das Denken, mittels dessen jenes Verhältnis untersucht wird, selber denken muss. Das Denken muss selber gedacht werden. Dieses Resultat wird inzwischen in allen unseren ökonomischen, sozialen, politischen, wissenschaftlichen Handlungsfeldern gesehen, etwa in der Notwendigkeit, das Planen zu planen oder mit Geld Geld zu kaufen oder die Erzieher zu erziehen. Jede Hausfrau kommt dieser Notwendigkeit nach, wenn sie ihre Reinigungsgeräte reinigt - also etwa die Kleiderbürste ausbürstet.

Hier läBt sich das Allgemeine der Generalistik nun eindeutig und bündig angeben als reflexiver Mechanismus - als das Sich-selbst-zum-Gegenstand-Haben. Spezialistische Arbeit ist auf einen anderen Gegenstand ausgerichtet, auf ein vom Handeln abgetrenntes Ziel. Das spezialistische Wissen gilt nur und ist nur brauchbar im Hinblick auf etwas Bestimmtes und Eindeutiges, das durch das spezialistische Wissen verändert oder entworfen oder zerstört wird.

Generalistisches Wissen ist auf sich selber anwendbar: Wissen des Wissens, ein Lernen, wie man lernt.

Das ist in der Tat inzwischen schon recht gut verstehbar geworden, dass man sinnvollerweise heute vor allem lernen sollte, wie man lernt, wenn das auch nicht heissen kann, dass man nur etwas Allgemeines lernt. Denn zu lernen, wie man lernt, ist etwas ungeheuer Spezielles, Besonderes, das nur ganz speziell angeeignet werden kann; aber deshalb nicht von jedem, denn der sollte ja seine notwendige spezielle Ausbildung absolvieren und ist damit doch wohl schon mehr als ausgelastet. Er kann unmöglich noch ein Vollstudium, nämlich Spezialist für das Allgemeine zu werden, absolvieren. Da aber das generalistische Wissen von der Praxis nicht abspaltbar ist - gerade für die Praxis wird ja generalistisches Wissen benötigt, um im konkreten Fall Entscheidungen über Aussagen und deren Stellenwert, Hintergrund und Bedeutungshorizont zu treffenÑ, dürfte hinkünftig die Lösung dieses Dilemmas darin liegen, dass in jede Gruppe von einzelnen Spezialisten eben auch ein Generalist aufgenommen wird als ein Spezialist für das Allgemeine, als ein Fachmann für die Bedingung von Bedingungen eines Flughafenbaus oder für die Folgen von Folgen einer politischen Entscheidung zum Beispiel.

Einige der wenigen bisher schon weithin bekannt gewordenen Generalisten als auch institutionell abgesicherte Mitglieder spezialistischer Arbeitsgruppen sind der Umweltschützer oder der Sozialarbeiter oder der Innereführungsoffizier. Ihnen stehen viel effektivere, aber leider den allgemeinen Augen entzogene Generalisten in Banken und Firmen und Familien gegenüber. Einige Regierungen, ja sogar Gesetzgeber stellen Generalisten nach Stellenplan in politische Arbeitsgruppen ein. Der Handlungsbereich der Leitung, Zielausrichtung und Kontrolle der gesamtgesellschaftlichen Prozesse ist evidentermassen besonders auf Generalisten angewiesen und andererseits besonders geeignet für generalistisches Arbeiten. Denn Politik versteht sich wesentlich als ein Einbringen von Voraussetzungen und Konsequenzen und Legitimationen und Zielen in einen aktualen sozialen Prozess, und darin liegt das wesentlichste Moment generalistischer Arbeit. Zu Zeiten der Höchstentfaltung der bürgerlichen Gesellschaft wurden solche Funktionen abgedeckt durch verinnerlichte Moral oder ethische Postulate oder eben jene ominöse Bildung, die man gerade im Hinblick auf jene Leistung nicht unterschätzen darf.

Sinnvermittlung, Zielvorgabe, Motivationssicherung als drei wesentliche Faktoren im Arbeitsprozess können indes nicht einmal mehr bei den bürgerlich gebildeten und sozial bestimmten Organisatoren des Arbeitsprozesses vorausgesetzt werden; die Arbeit und ihre Momente selber ergeben das nicht mehr von selbst, weder, was die Konsequenzen, noch was die Bedingungen, noch was den Sinn solcher Arbeit anbelangt.

Ich selbst habe erlebt, dass es einem Richter ohne generalistische, das heisst hier wissenschaftstheoretische Vorarbeit, kaum noch möglich ist zu wissen, was das Wort 'Gewalt'im § 240 StGB für einen Sinn hat.

Es ist ohne grössere Gedankenanstrengung auszumachen, was es bedeutet, wenn solche Generalisten zukünftig an den Universitäten neben den Spezialisten ausgebildet werden, wobei gleich angedeutet werden soll, dass die wahrscheinlich humanste Lösung der anstehenden Probleme für die Betroffenen dadurch erreicht werden kann, dass auch die Spezialisten in anderen sozialen Handlungsfeldern als denen ihrer spezialistischen Tätigkeit als Generalisten tätig sein können sollten. Bei der ohnehin notwendig gewordenen sozialen Mobilität dürfte der periodische Wechsel aus spezialistischer in generalistische Arbeit durchaus zu bewerkstelligen sein.

Einen immer wieder geäuRerten Einwand will ich nach Möglichkeit gleich vorweg beantworten:
Generalistik ist nicht eine Umbenennung dessen, was man so die 'Theorie' nennt. Generalistisches und spezialistisches Arbeiten sind nicht identisch mit theoretischem und praktischem.

Denn auch die allerpraktischste Verrichtung - sagen wir mal das Töpfern - hat eine Theorie, und auch die generalistischen Arbeitsverfahren beziehen sich auf Theorien. Der Theorie-Praxis-Begriff ist umfänglicher als der generalistisch-spezialistische. Was der Bedeutung des letzteren keinerlei Abbruch tut.

Es bleibt schliesslich daran zu erinnern, dass einer grossen Anzahl von Mitgliedern unserer Gesellschaft doch schon als unbezweifelbar gilt, dass ohne Berücksichtigung des Allgemeinen Entscheidungen - gerade politische- nicht mehr getroffen werden können.

Das heisst nach unserer Auffassung: Berücksichtigung des Allgemeinen, wie es als Grundbedingung - als conditio humana - der Tatsache gilt, dass Menschen, auch denkende Menschen, Bestandteile der Naturevolution sind, und zweitens Berücksichtigung des Allgemeinen, wie es aus der Bedingung sichtbar wird, dass das Allgemeine immer nur in der konkreten einzelnen Gestalt, in der besonderen Erscheinung erscheint. Es nützen keine allgemeinen Annahmen einer Gesetzlichkeit, gar grundgegesetzlicher Garantie und Moralität, wenn sie nicht in dem einzelnen Konkreten objektiv sind.

Ich merke, dass ich ins Posaunen und Predigen abgleite, wodurch mir immerhin noch anzumerken möglich wird, dass gerade Prophet und Priester den Sozialcharakter 'Generalist' erfüllen. Ob unsere Generalisten es mit ihnen aufnehmen werden können, hängt unter anderem davon ab, wie wir die Generalistenausbildung bewerkstelligen.

*Vortrag an der Hochschule tur Bildende Künste, Hamburg, 1967 (abgedruckt in den Padagogischen Blättern der HfBK, 1967). 1972 auch als Funksendung im Sender Freies Berlin, 111. Vgl. aus dem selben lahr den vor ausgegangenen Vortrag'Selbstbestimmung und Fremdbestimmung - zur funktionalen Unterbestimmtheit der Kunsthochschulen'(in Band 11, Teil 1, 6). (Hervorhebungen durch den Webautor).


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Ein Brief von Vera F. Birkenbihl über Paradigmen-Veränderer, "Siedler" und Paradigmen-Pioniere.

"Joel Barker hat mit prophetischer Vision bereits vor Jahren eine Analogie zur Besiedelung des "Wilden Westens" vorgeschlagen. Es gibt couragierte Paradigmen-Veränderer (die "Spinner", die man früher immer bekämpfte), und es gibt mutige Paradigmen-Pioniere (die sich als erste auf das neue Terrain wagen). Dann erst kommen die Siedler.

Barker: "Früher (im Industriezeitalter) haben die Siedler abgesahnt. Sie warteten lange genug, bis eine neue Technologie sich durchgesetzt hatte, um dann im Me-too-Verfahren den Markt aufzurollen. Aber das geht jetzt nicht mehr; in der Zukunft werden nur noch die Paradigmen-Veränderer und die Paradigmen-Pioniere das Geschäft machen. Warum?

Da die Zukunft immer schneller wird, ändert sich auch der Markt schneller, d.h. wir haben keine Zeit mehr, um andere nachzuahmen. Der mündige Kunde (lange herbeigeredet) erscheint jetzt tatsächlich und fordert sein Recht. Daher können nur wirkliche Vordenker eine Pionier-Service-Kultur schaffen, die langfristig vorne bleibt.

Für die Siedler bleibt im Service-zeitalter nichts mehr übrig. Denn Innovation impliziert Bewegung, die Siedler aber wollen (aus-) sitzen und werden (in der Service-Schule) sitzenbleiben. (Vera F. Birkenbihl in einem Kundenbrief, 1997)

 

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Kampf der Titanen - "Baby-Boomer zieht euch warm an!"

Interview mit dem Internet-Forscher Don Tapscott
(Handelsblatt vom Nr. 3/98, von Annette Eicker)

Ein Jahr lang führte das Team des kanadischen Unternehmensberaters Don Tapscott im world wide web Diskussionen mit 300 Net-Kids aus aller Welt. Wie die Netz-Generation "tickt" und wie sie die Zukunft verändern wird, erzählte Tapscott Junge Karrtere.

"Zum ersten Mal in der Geschichte sind Kinder und
Jugendliche gebildeter als ihre Eltern - und zwar genau dort,
wo die Zukunft liegt: im Netz."

Der Cyber-Guru

Eher belächelt wurde Don Tapscott, als erbereits 1992 die "digitale Revolution" voraussagte und Unternehmen, die er beriet, nahelegte, so bald wie möglich Organisation, Produkte und Vertrieb in Hinsicht auf das kommende Medium Internet neu zu überdenken. Heute wird Tapscott weltweit als Cyber-Guru gefeiert. Er leitet die New Paradigm Learning Corporation in Toronto, die sich auf die Positionierung von Unternehmen im Internet spezialisiert hat Seine Büchern "Pardigm Shift" (1992), "Who Knows" (1995) und "The Digital Economy" (1996) wurden in 13 Sprachen übersetzt und sind in vielen Unternehmen Pflichtlektüre für Marketing- und IT-Verantwortliche. In den vergangenen zwei Jahren hat sich Tapscott, selbst Vater von zwei Kindern, verstärkt damit auseinandergesetzt, wie die heranwachsende Generation mit den neuen Medien umgeht. Seinem Buch "Net Kids" (Gabler) liegen Recherchen zugrunde, die mit Kindern und Jugendlichen weltweit im Internet durchgeführt wurden. Tapscotts Website: www.growingupdigital.com

"Baby-Boomer zieht euch warm an!" mahnt Don Tapscott nicht ohne Augen zwinkern. "Es kommt eine Welle medienkundiger, zuversichtlicher, kollegialer und innovativer Jugendlicher in Kürze auf den Arbeitsmarkt. Die werden euch hinwegschwemmen aus den Unternehmen und zu Verlierern machen auf dem Arbeitsmarkt, wenn ihr nicht Jahre der Konditionierung und alte Arbeitsmodelle ohne jede Reue über Bord werft. " Don Tapscott prophezeit den Kampf der Titanen unter den Generationen: die Baby-Boomer gegen ihre eigenen Kinder, die zahlenmässig noch viel grössere "Net-Generation". Zum ersten Mal in der Geschichte nämlich seien Kinder und Jugendliche gebildeter als ihre Eltern - und zwar genau dort, wo die Zukunft liege: im Netz. Die Möglichkeiten, die das Netz der jungen Generationgebe, formten deren Arbeits-, Lebens- und Konsumgewohnheiten aufeineWeise, die nau dort, derenEltern,aber auch viele aus der im Netz. Generation X - heute zwischen 21 und 33 Jahre alt - überhaupt noch nicht kapiert hätten.

Ein Jahr lang hat Tapscott Fragen gestellt an die Net-Generation, hat alles wissen wollen über ihr Leben, wie sie lernen, ihre Freizeit verbringen, wie sie arbeiten, kommunizieren was sie denken über die Gesellschaft und die Strukturen in heutigen Unternehmen. Das Ergebnis seiner Arbeit, findet er, sage viel aus über die Zukunft, der wir entgegensehen:

DIE KIDS IM ARBEITSLEBEN

Die heutigen Jugendlichen gehen, was die Arbeit betrifft, von gänzlich anderen Annahmen und Voraussetzungen aus als ihre Eltern. Der typische Vertreter der Generation N hat ein ausgeprägtes Bedürfnis nach Unabhängigkeit und Autonomie. Dies ergibt sich weitgehend aus der aktiven Rolle, die er heute als Informationssuchender spielt. Es handelt sichum eine Generation, die nach Möglichkeit die Kontrolle über die eigene Arbeit und ihre Arbeitssituation behalten möchte. Sie fühlt sich wohl in einem Klima der Zusammenarbeit und vielen erscheint die Vorstellung, einen Chef über sich zu haben, geradezu absurd. Sie orientieren sich an Netzwerken.

WISSEN TEILEN

Während es in vielen Unternehmen heute immer noch so ist, dass Wissen als Herrschaftsinstrument betrachtet und folglich nicht mit anderen geteilt wird, sieht die junge Generation den ganzen Sinn ihrer Kommunikation im Netz darin, Wissen zu teilen. "That's what the internet is about. Share knowledge!" brachte eine 15jährige gegenüber Tapscott die Sache auf den Punkt.

INNOVATION

Daraus folgt ganz logisch, dass für die Netzgeneration das Thema Innovation allgegenwärtig ist. Sie ist dauernd auf der Suche nach der Verbesserung bestehender Systeme. Dabei hat sie gegen harte Arbeit nichts einzuwenden, sieht nicht nach der Uhr und will produktiv sein, denn Arbeit, Lernen und Spiel sind für sie ohnehin dasselbe. Tapscott: "Diese Leute beweisen eine Kreativität, von der ihre Eltern noch nicht einmal träumten."

"Für traditionsbehaftete Baby-Boomer wird der Begriff Frühpensionierung
wohl schon bald eiinen neuen Beigeschmack bekommen."

ORGANISATIONSSTRUKTUREN

Tapscott ist sicher, dass die Netzgeneration die Unternehmensstrukturen von Crund auf verändern wird, sobald ihre Kultur zur neuen Arbeitskultur wird. Traditionelle Hierarchien wird sie nicht mehr dulden und ein Management im herkömmlichen Sinne taugt dle in einer solchen Arbeits welt nichts mehr. Wo die Netzgeneration den Ton angibt, sind Managementkonsens und Teamarbeit mehr als reine Schlagworte. Die Führungskraft der Netzgeneration nutzt die neuen Medien zur Unterstützung der täglichen Arbeit, zur Kommunikation nach innen und aussen. Sie errichtet auf der Grundlage der Vernetzung ein Echtzeitunternehmen, das für eine Wirtschaft, die ebenfalls zur Echtzeitwirtschaft wird, geeignet erscheint. Das neue Medium ermöglicht ihr die Schaffung einer flacheren, offeneren Unternehmensstruktur und einer Kultur, die digital und reaktionsfreudig ist.

ZEITARBEIT

Es lässt sich bereits absehen, dass zahlreiche Vertreter der Netzgeneration Zeitarbeitsverhältnisse einem festen Arbeitsvertrag vorziehen werden, weil es ihnen mehr Abwechslung im Beruf und bessere Möglichkeiten zu Weiterbildung und lebenslangem Lernen bietet.

GUTE MACHTPOSITION

Die Net-Kids kommen ganau in dem Moment auf den Arbeitsmarkt, da viele Unternehmen sich mit Hilfe der neuen Technologien neu finden müssen, intellektuelles Kapital zur wichtigsten Kapitalform und Innovationsbereitschaft zum Schlüssel des Erfolges geworden sind. Ihre Machtposition ist stark und sie wird noch stärker, denn zur Zeit sind wir erst in einer Phase, da die Unternehmen lernen, das Internet als Marketinginstrument zu nutzen, doch schon bald werden sie ihre Geschäfte auch tatsächlich im Netz abwickeln. Damit haben die heutigen Net-Kids die Kompetenzschlüssel für die Zukunft in der Hand.

Dabei verfügt das Kapital der Netzgeneration in einem Masse über einen freien Willen wie noch bei keiner Generation zuvor. Es kann einfach zur Tür hinausspazieren. Unfaire Behandlung durch ihren Arbeitgeber wird die Netzgeneration deshalb keinesfalls hinnehmen - zumal sie über ein neues Organsiationsmittelverfügt: das Netz. Unternehmen, die ihre Mitarbeiter schlecht behandeln, werden hier an den Pranger gestellt werden - und das mit Lichtgeschwindigkeit. In Extremfällen ist sogar zu erwarten, dass verärgerte Jugendliche Unternehmen, die sie schlecht behandelt haben, durch im Internet organisierte Boykottaufrufe, das Eindringen in "sichere" Dateien des Unternehmens und Massnahmen, die wir uns heute noch gar nicht vorstellen können, bewusst ruinieren werden.

"Vielen Net-Kids erscheint die Vorstellung,
einen Chef über sich zu haben geradezu absurd."

Je mehr wir uns also in Richtung Informationsgesellschaft bewegen, desto mehr werden Unternehmen ihre Mitarbeiter wirklich wie ihre wertvollste Ressource behandeln müssen. Vor allen Dingen ist damit zu rechnen, dass Unternehmen neue Wege in der Entlohnung ihrer Mitarbeiter einschlagen werden - Wege nämlich, die auf dem geschaffenen Mehrwert beruhen. Das hätte eine tiefgreifende Demokratisierung der Besitzverhältnisse in der Wirtschaft zur Folge. Vielen Net-Kids erscheint Vorstellung, einen Chef über sich zu haben, geradezu absurd."

GR†NDEN

Die Vergütungssysteme werden schon deshalb neu gestaltet werden müssen, weil die Netz-Generation im Grunde ihres Herzens eine Gründergeneration ist. Viele der klügsten und vitalsten Jugendlichen würden schon heute lieber ein neues Unternehmen gründen als ein bestehendes umzugestalten. Etliche von ihnen sind schon heute unternehmerisch im Netz tätig und verdienen dort bisweilen mehr Geld als ihre Eltern.

Anette Eicker

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Die Generation der Geburtsjahrgänge zwischen 1946 und 1965 werden als die Baby-Boorner-Generation bezeichnet. Danach, 1965 bis 1977, folgten die sogenannten geburtenschwachen Jahrgänge, die heute Generation X genannt werden. Die dann folgende Generation der Kinder der Baby-Boomer, also die Geburtsjahrgänge 1977 bis 1997, ist grösser als die der Baby-Boomer seibst. Allein in den US sind in diesem Zeitraum 80 Millionen Kinder geboren worden.


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